Dieses Jahr barg für viele von uns die Gelegenheit, schwierige, negative Gefühle zu erleben 😉 Vielleicht sogar besonders Schwierige – oder davon mehr als sonst. Und die Frage ist wichtiger denn je: Wie gehen wir hilfreich mit diesen schwierigen Gefühlen um? In uns selbst – und auch um uns herum?
Gefühle haben enorm viel Power in sich. Gerade die schwierigeren unter ihnen sind dazu gedacht, uns mit direkter körperlicher Handlungs-Energie zu versorgen. Die zwei gängigen Strategien, mit dieser Energie umzugehen, führen leider oftmals dazu, dass diese Energie stecken bleibt und wir sie auf eine Weise erleben, die für uns (und mitunter auch andere) schmerzhaft oder schädigend ist.
Doch es gibt auch einen Weg, der die Power in schwierigen Emotionen auf hilfreiche Weise nutzbar macht, sie liebevoll und behutsam in Fluss bringt… Und die Geschenke in ihnen offenbart.
Negative Gefühle – Was machen wir mit ihnen?
Zunächst einmal sind schwierige Gefühle wie Angst, Frust, Trauer, Ärger, Unsicherheit oder Niedergeschlagenheit jedoch schlicht natürliche Reaktionen auf Veränderungen und unvorhersehbare Entwicklungen. Was mich immer wieder berührt ist: In ihnen steckt so ein Segen!
Aber natürlich will sie erstmal keiner haben, diese Gefühle, die sich richtig unangenehm, manchmal auch beängstigend anfühlen, oder einfach wehtun. Aus dieser Ablehnung oder dem „Nicht-Haben-Wollen“ heraus sind zwei Wege entstanden, die wir alle in uns selbst – und natürlich auch um uns herum – beobachten können.
Strategie 1: Verdrängung
Solange es möglich ist, versuchen die meisten von uns Angst oder Trauer, Frust oder Ärger, Scham oder Verzweiflung nicht wahrzunehmen. Wir drücken negative Gefühle weg – und vielen gelingt das für einen beträchtlichen Zeitraum. Die häufigsten Verdrängungsstrategien:
- Ablenkung mit den abstrusesten Sachen (Tagträumen, im Haushalt rumwuseln, Genussmittel, auf Social Media oder im Web versacken, Shoppen…)
- Leugnen, dass schwierige Gefühle da sind („Ich BIN NICHT gereizt!“)
- Ausreden finden, um nicht hinschauen zu müssen (Arbeit, Familie, Freunde, Deadlines, „ich mach nur noch mal schnell…“, etc.)
Mein Gespür dafür, wann ich etwas tue, um Gefühle zu verdrängen, wird immer feiner. Denn natürlich kann arbeiten, einen Film genießen, den Haushalt regeln oder Freunde treffen sehr positiv, nährend und sinnvoll sein. Wenn ich jedoch bemerke, dass da eine innere Rastlosigkeit in mir ist, ein subtiles (oder auch recht offensichtliches) Getrieben-Sein, dann weiß ich, dass ich eigentlich gerade versuche nicht hinzuschauen.
WICHTIG: Wenn du dich beim verdrängen ertappst, machst du nichts falsch! Das ist ein Weg, den wir gelernt haben und manchmal ist er sehr sehr wichtig. Diese Strategie hat dich so oft bereits gerettet: In Situationen, die dich ansonsten komplett überwältigt hätten.
Bitte würdige diesen Weg. Auch wenn du weiter unten einen hilfreicheren Weg kennenlernen und diesen hier demnächst weniger oft gehen magst.
Strategie 2: Mitgerissen-Werden
Diese Strategie tritt meist dann ein, wenn die erste nicht mehr funktioniert. Für manche von uns ist dies aber vielleicht auch der hauptsächliche Umgang mit schwierigen Emotionen: Wir sind direkt in ihnen gefangen, kreisen in Sorgen- und Grübelschleifen oder lassen unserem Ärger, Frust oder Verzweiflung vollen Lauf. Wir kommen nicht von ihnen los.
Wenn wir diesen Weg einschlagen, ist das meist recht offentlich: Uns geht es sehr deutlich nicht gut, die Gefühle scheinen übermächtig. Der Versuch hinter dieser Strategie ist, angetrieben durch diese Emotionen auf gedanklicher Ebene oder durch Verhalten, Kontrolle über die Situation wiederzuerlangen. Wahrscheinlich hast du auch schon erlebt, dass diese Kontrollversuche wenig fruchten.
Ich selbst bemerke bei mir, dass ich für spezielle Situationen und Gefühle diese Strategie wähle, während ich andere eher verdränge.
WICHTIG: Auch diese Strategie ist ein Versuch deines Systems, dich zu schützen. Und auch diese Strategie wird dich irgendwann bereits einmal geschützt oder gestärkt haben. Denn im Endeffekt versucht sie, dich in ein Gefühl von „Das ist handhabbar“, „Ich hab die Kontrolle“ zurückzubringen, was sehr sehr wichtig ist, um mit Schwierigkeiten umzugehen.
Bitte würdige deshalb auch diesen Weg.
Und lass dich inspirieren von einem dritten Weg, der mich immer wieder berührt.
Der hilfreiche Weg
Wie kann er also aussehen, ein hilfreicher Weg mit dieser richtig unangenehmen Emotionspower fertig zu werden? Und was wird auf ihm möglich?
In „Emotionen“, ein anderer Ausdruck für Gefühle, steckt das englische Wort „motion“ – Bewegung. Emotionen wollen Handlungen auslösen, aber sie bringen vor allem auch unser Inneres in Bewegung. Mit den ersten beiden Strategien passiert jedoch Folgendes: Die Emotion bleibt stecken. Entweder kommt sie gar nicht an die Oberfläche von den, was uns bewusst ist (Verdrängung) oder sie dreht ihre Tornados in uns – und wir sind mitten drin – ohne, dass sich etwas verändert (Überwältigt-Sein).
Doch es gibt auch die Möglichkeit, diese schwierigen Emotionen auf behutsame Weise in Fluss zu bringen. Dadurch verändern sie sich, nehmen vielleicht zu, dann ab, wandern in andere Körperbereiche – und lösen sich schließlich auf. Das fühlt sich bereits echt gut an.
Was mich jedoch eigentlich berührt ist dies: Zurück bleibt nicht ein „Nichts“. Fühlen wir diese Gefühle wirklich und inniglich, wandelt sich diese starke Power in ihnen um: In Kraft, die uns unterstützt. Zum Beispiel in Zuversicht, Selbstvertrauen, Klarheit, Gestaltungskraft, Frieden oder Dankbarkeit.
Was es braucht, um negative Gefühle aufzulösen
Klingt super, oder? Wie kann dieser Weg also gelingen?
Vielleicht kennst du dies von Gesprächen mit nahen Freunden. Hört der andere uns mit ganzem Herzen zu, verändern sich selbst schwierige Gefühle oft in Sekundenschnelle. Hierbei ist die Qualität des Zuhörens also das Entscheidende.
Das ist die erste Grundzutat: Liebevolle Zuwendung.
In solchen Gesprächen mit lieben Menschen fällt dir vielleicht bei dir selbst manchmal auf, dass du zwar mit dem Herzen dabei bist und dir wünschst, dass der andere von Herzen glücklich ist. Aber vielleicht schwirrt gerade auch anderes durch deinen Kopf – und du kannst dem anderen nicht mit deiner gesamten Aufmerksamkeit folgen.
Das jedoch ist die zweite Grundzutat: Volle, aufmerksame Präsenz.
Und da es hier um negative Gefühle geht, die wir selbst spüren und in Fluss bringen wollen (/müssen), braucht es hier noch eine besondere Zutat. Denn es gibt einen guten Grund dafür, dass die anderen beiden Strategien bisher immer noch so weit verbreitet sind. Um schwierige Gefühle aufzulösen müssen wir bereit sein, sie wirklich zu fühlen. Stückchen für Stückchen und Schicht für Schicht. Das bedarf zweifellos einer weiteren Qualität.
Das ist die dritte Grundzutat: Mut
Der Körper ist der Schlüssel
Um mit Gefühlen hilfreich umzugehen, ist es wichtig zu wissen, wo sie „sitzen“. Der erste „Ort“, an dem wir mit unseren Gefühlen in Kontakt kommen, ist oft „im Kopf“: In Gedanken, Selbstabwertungen, Sorgen, Grübeln, ängstlichem Planen oder verbissenen Ärger-; und Frust-Schleifen.
Unsere Gedanken sind jedoch nicht der Ursprung unserer Gefühle. Tatsächlich haben wir da nur das letzte Rädchen einer riesigen Maschinerie vor uns, das wir zwar versuchen können, mit aller Macht anzuhalten – es löst in vielen Fällen jedoch nicht das Grundthema.
Die grundlegende Ebene, die Ursprungsebene von Gefühlen ist unser Körper. Alle Emotionen entstehen hier und sind hier gespeichert. Wenn wir unsere wohlwollende, liebevolle und voll-präsente Aufmerksamkeit auf den Körper richten und hier die Emotionen aufspüren, ist der Grundstein dafür gelegt, dass sie behutsam beginnen können sich zu lösen und zu verwandeln.
Den hilfreichen Weg gehen
Unser Nervensystem ist sehr intelligent – und maximal liebevoll. Es wird uns immer schützen wollen, notfalls auf die alte Weise (Strategie Verdrängung oder Strategie Mitgerissen-Sein). Was es braucht, um diese Strategien zu durchbrechen, ist ein sicherer Rahmen und ein behutsames Erlernen des hilfreichen Weges.
Wenn unser System sich sicher fühlt, aufgehoben, und wir unsere wohlwollende Aufmerksamkeit kultivieren und lenken, gibt es Schichtchen für Schichtchen negative Gefühle frei, die in uns gespeichert sind und erlaubt ihnen, sich zu verwandeln.
Sicherheit und Halt schaffen:
- Gib deinem Körper die Gelegenheit, sich im Raum zu orientieren. Schau dich ruhig und entspannt um: Wo bist du, was ist um dich herum?
- Fühl die Sitzunterlage, die Füße auf dem Boden. Da ist die Erde, die dich trägt, und dir Halt gibt in jedem Moment.
- Lass deine Aufmerksamkeit vom Kopf mehr in den Körper zurückströmen.
- Lege eine Hand auf deinen Bauch, deinen Brustkorb oder deinen Arm. Lass diese Berührung ganz bewusst geschehen, liebevoll, unterstützend.
Bitte achte gut auf dich und führe die folgenden Schritte nur dann alleine durch, wenn du dich innerlich stabil fühlst und bereits Erfahrung im hilfreichen Umgang mit schwierigen Emotionen oder mit Achtsamkeit und Meditation hast.
Schwierige Gefühle in Fluss bringen:
- Spüre in deinen Körper hinein: Wo sitzt das negative Gefühl?
- Mit ganz viel Liebe und voller Aufmerksamkeit: betrachte, was sich in dir zeigt.
- Gib dem, was sich zeigt die Erlaubnis, da zu sein, so, wie es ist.
- Und dann – ganz behutsam – lasse den Widerstand los, den du innerlich dagegen aufgebaut hast.
Negative Gefühle als Geschenk
Schwierige Emotionen wollen Nahrung für unser Wachstum sein – alles, was wir tun müssen, gleicht dem, was eine Pflanze tut: Aus der Erde ziehen sie lebenswichtige Nährstoffe. In der Erde schlagen Pflanzen gleichzeitig Wurzeln und finden ihren Halt. Erst dann können sie die Nährstoffe überhaupt aufnehmen.
Kein Schlamm, kein Lotus.
Wenn wir das tun, wachsen wir, entfalten Blatt für Blatt und Blüte für Blüte. Wir werden immer mehr wer und wie wir sind – durch den Schlamm, durch die schwierigen Gefühle, durch die Erdbrocken, durch die Herausforderungen. Und in diesem Wir-Sein, tragen wir natürlicherweise immer mehr zum Erhalt und Schutz, zur Stärkung und Entfaltung des Lebens in unserer Mitwelt bei.
Einladung: Starke Wurzeln
Workshopabende am 26.11. und 03.12.
Wir werden unseren inneren Halt festigen, schwierige, negative Gefühle behutsam in Fluss bringen, sich verwandeln lassen, die darin verborgenen Geschenke spüren und unser Vertrauen in uns selbst stärken.
Zu den Workshops „Starke Wurzeln“
Was diese Erde braucht, ist unser ganzes Wesen, das den Schlamm nutzt, in Kraft verwandelt und wächst: Pioniere, die innere Ruhe, Stabilität, Vertrauen, Weisheit, Präsenz und Mitgefühl ausstrahlen – und daraus handeln.
Danke, dass du deine nächsten Schritte gehst!
Deine
3 Comments on “Negative Gefühle – Wie du sie auflöst und in positive Kraft verwandelst”
Pingback: Wie du dich in deiner inneren Mitte verankerst und Haltlosigkeit auflöst • happyroots.de
Liebe Nathalie,
vielen Dank für diese hilfreiche Step by Step Übersicht zu diesem meiner Meinung nach sehr wichtigen und wenig thematisiertem Thema. Vor allem die Zusammenhänge zu den ersten beiden Bewältigungsstrategien, sind meiner Meinung nach, eine gute Möglichkeit zur Selbstreflexion. Auch wenn man vielleicht jemand ist, dem dies schwer fällt, sind diese verständlich und motivieren einen weiterzulesen. Du formulierst du diese Strategien als Reaktion wertschätzend,so dass man sich nicht unter Druck gesetzt fühlt. Der Schlenker zum hilfreichen Weg ist dir gut gelungen.An dieser Stelle machst du deutlich, dass dies ein Prozess ist für den man sich bewusst entscheiden muss und der Übung bedarf.
Lieben Dank auch dir, Helene,
für die schöne und differenzierte Rückmeldung 🙂 Sie hat mich sehr gefreut.
Viele liebe Grüße,
Nathalie