In den Flow finden – warum das keine gute Idee ist und wie wir das ändern

Diese Momente, wo alles leicht und einfach fliesst… Wo wir ganz und gar in einem Projekt versinken und kreative Ideen im Nu verwirklichen. Flow… Wo so vieles mühelos gelingt und wir in Freude und Leichtigkeit viele Dinge an einem Tag untergekommen.

Was ist dieser mysteriöse Flow – und was suchen wir eigentlich wirklich?

Flow Forschung – ein kurzer Blick hinter die Kulissen

Flow war eines der ersten Phänomene, die in der Positiven Psychologie untersucht wurden. Der nette, alte Herr mit dem unaussprechlichen Namen Mihály Csíkszentmihályi hat dieses Thema groß gemacht und da ihm große Relevanz für die Arbeit zugesprochen wird, hat „Flow“ viel Beachtung und Beforschung nach sich gezogen.

Positive Auswirkungen

Hier mal im Überblick die Kernelemente laut Forschung:

  • Flow schafft Fokus und Konzentration
  • Unser Gehirn arbeitet „optimal“
  • Wir haben Zugang zu großer Kreativität und Innovationskraft
  • In Momenten, wo wir aus dem Flow „auftauchen“ fühlen wir uns kompetent, freudig und stolz (im Flow haben wir keine Gefühle)
  • Wir schaffen viel in verhältnismäßig kurzer Zeit (besonders spannend für Unternehmen)
  • Oft wird von einem Verschmelzen berichtet mit dem was wir tun. Dies wird vielfach so dargelegt, dass wir vom „Machen-Modus“, in den „Seins-Modus“ wechseln.

Klingt nach der ultimativen „feel-great-Tablette“. Ich habe viele Erfahrungen mit Flow gemacht und kann diese Auswirkungen bestätigen. Ohne Flow hätte ich niemals mein Buch, Workshops oder Online-Akademien entwickeln können. Flow stellt sich bei mir bereits kurz nach einer Coaching-Anfrage ein. Dann finden die ersten Bausteine und Übungen für diesen Menschen zusammen und die kommende Sitzung beginnt Form anzunehmen. Und Flow finde ich auch beim Kochen, in tiefen Gesprächen, auf meinem Waldspaziergang und in vielen weiteren Situationen.

Nachteilige Auswirkungen

Aber – aus eigener Erfahrung – weiß ich, dass Flow, wie er in der Wissenschaft beschrieben ist, nicht nur gesund ist. Das sagt auch die Wissenschaft:

  • Wir vergessen manchmal stundenlang zu essen und zu trinken
  • Meistens verharren wir „im Flow“ in ungesunden Körperhaltungen (Verharren im Fluss? – Seltsam!)
  • Manchmal bleiben wir auch viel zu lang wach und kommen nur schwer wieder „herunter“ (was dann zu Lasten unserer Nachtruhe geht)
  • Wenn der Flow ausbleibt, tauchen starke Druck- und Stressgefühle auf
  • Der Selbstwert wird an das Eintreten von Flow geknüpft (was keine gute Idee ist und zu Selbstabwertungen und -zweifeln führt)

All das kenne ich aus zutiefst eigener Erfahrung. Und ich glaube, dass diese Art von „Flow“, wie ihn die Wissenschaft beschreibt, nicht gesund ist. Ich glaube zudem, dass es nicht einmal das ist, was wir wirklich und eigentlich suchen. Und dennoch macht dieser Flow-Zustand süchtig. Weil er uns mit einem Potential verbindet, das wir alle in uns tragen.

Ein optimal arbeitendes Gehirn ist grandios.
Das Angebunden-sein an enorme Kreativität ist zutiefst erfüllend.
Der Wechsel zum „Seins-Modus“ und das Verschmelzen mit dem, was wir tun, fühlt sich absolut lebendig an (mehr zum Sein-Modus in diesem Blogartikel).
Aber wenn das zu Lasten unseres Körpers geht und unseren Selbstwert bestimmt, wenn wir den Kontakt zu unseren Bedürfnissen verlieren, läuft hier etwas grundlegend falsch.

Gesunder Flow

Ich bin davon überzeugt, dass Flow elementarer Bestandteil unseres Lebens ist. Und dass wir dazu gemacht sind, die positiven Aspekte zu genießen und zu leben – ohne in die negativen Aspekte hineingezogen zu werden.

Wie kann also ein gesunder Flow aussehen? Was fehlt hier, im „herkömmlichen“ Flow und wie können wir das ändern?

Wenn wir uns die Nachteile vom Flow genauer anschauen, werden wir feststellen, dass sie keine Nachteile sind, die sich spezifisch auf Flow beziehen. Sie sind vielmehr Abbild von dem, was in unserer Gesellschaft falsch läuft. Und dies sind – in Bezug auf unser Thema – im Wesentlichen zwei Dinge:

  1. Wir sind darauf getrimmt zu leisten und zu funktionieren
  2. Wir sind abgetrennt von unserem Körper

Freifließender Flow

Der Druck zu leisten und zu funktionieren kann entweder den Hang erzeugen, Dinge kontrollieren zu wollen, rastlos und gehetzt zu werden und uns an den Rand der Erschöpfung zu pushen ODER das genaue Gegenteil: Blockade, Antriebslosigkeit, Aufschieberitis und Ablenken mit Dingen, die uns kurzfristig ein angenehmes Gefühl vermitteln, die wir aber doch nicht tief genießen.

Dieser Hang steht einer grundlegenden Facette des Lebens entgegen. Wir haben nicht nur einen Körper, sondern unser Leben hat auch Rhythmus, Dynamik, natürliche Aktivphasen und natürliche Ruhephasen. Wenn wir uns erlauben, mehr auf unseren Rhythmus, unseren Fluss zu achten und ihm ein klein wenig mehr zu folgen, kommen wir nach und nach automatisch mehr in Kontakt mit den Qualitäten von Flow. Vor allem aber ehren wir unsere eigene, menschliche, zyklische, fließende Natur.

Verkörperter Flow

Der Großteil unseres Lebens findet im Kopf statt, im Machen, im Planen, im Vergleichen und im Ausbaldowern, was hier und dort schiefgelaufen ist, im Träumen und Rattern. Selbst in unserer Freizeit, beim Sport oder Waldspaziergang nehmen viele ihren Körper kaum wahr. Doch deine Präsenz im Körper ist die Basis dafür, dass das, was du tust, geerdet ist.

Geerdet meint hier: Du, deine Aufmerksamkeit, bleibt im Einklang mit deinen Bedürfnissen und deinem Energieniveau. Geerdet meint auch: Das, was du tust, entspricht auch wirklich dir, drückt einen wesentlichen Teil von dir aus. Geerdet meint: Du verkörperst die Qualität von dem, was du tust. Ob es liebevolles Kümmern um den Haushalt, kreatives Arbeiten, klare, realistische Haushaltsplanung, zugewandtes, mitfühlendes Zuhören, freudiges „verrückte-Dinge-tun“ oder konsequentes Nein-Sagen ist. Du als Ganzes stehst dahinter.

Flow als Lebensfluss

Verbinden wir verkörperten Flow und freifließenden Flow, sind wir eigentlich bereits bei der Essenz unseres Lebens angelangt. Bei unserem natürlichen Lebensfluss. Dieser Lebenfluss ist immer da.
Deutlich spüren können wir ihn in den Erfahrungen, bei denen wir das Gefühl haben, mit dem Leben zu fließen, es zu genießen, und offen und kreativ mit dem unfreundlichen Kellner, dem verspielten Nachbarshund, dem Arbeitsprojekt und der Zubereitung unseres heutigen Abendessens umgehen zu können. Aber auch in den Momenten, in denen wir mit einer schwierigen Emotion ganz präsent sind: mit dem Gefühl sowie der Situation.

Flow ist ein Phänomen, dass wir jederzeit in unserem Körper aufspüren können. Manchmal ruft er uns in die Ruhe, manchmal in die Aktivität. Aber immer ruft er uns in den jetzigen Moment.

Gesunder Flow erlaubt es uns, unsere schönsten Seelenqualitäten auszudrücken. Und um all die Schätze wirklich zu leben, zu denen wir fähig sind, ist es grundlegend, sie zu verkörpern. Nur, wenn wir Stück für Stück unser volles Potential, unsere Seelenkraft verkörpern, wird es unser Leben langfristig durchströmen. Zugleich kommen wir damit immer mehr in Richtung stetigem Flow, Flow in mehr und mehr Lebenssituationen.

Wir brauchen Mut für freifließenden, verkörperten Flow. Denn es bedeutet zu lernen, unsere Rhythmen zu akzeptieren und mit ihnen zu gehen. Und wenn wir es ernst meinen, bedeutet es, unsere Flow-Blockaden ernst zu nehmen und tiefer hinzuschauen…

Hinein in den Flow

Wie finden wir nun in den Flow? Vor allem dann, wenn er ganz weit weg zu sein scheint? Wo schlummert er und was steht ihm im Weg?

Hinaus aus der Flow-Blockade

Meine Erfahrung ist: Wenn Flow nicht entsteht (und ich meine nicht nur die Tage, an denen ich arbeite, ich meine das Gefühl, im Lebensfluss eingetaucht zu sein), wenn ich den Tag damit verbringe, rastlos dies und jenes zu tun oder antriebslos und fahrig kaum etwas gebacken bekomme, stehen meistens unverarbeitete Gefühle dahinter, die zuerst angeschaut werden wollen. Das braucht Mut – und nochmal mehr Verkörperung.

Meine eindrücklichste Kreativ- und Flow-Blockade erlebte ich recht zu Beginn beim Schreiben meines Buches. Schon 10 Tage saß ich an ein und demselben Kapitel – In dem Tempo würde das mit der Deadline nichts mehr werden. Das führte zu immer mehr innerem Druck und „Durchhalten“.

Irgendwann, nach einem langen, liebevollen Telefonat mit einer Freundin, gab ich auf. Ich entschied mich dafür, eine selbstliebende Schreibpause einzulegen und zugleich wirklich hinzusehen, was in mir los war.

Während dieser Zeit wandte ich mich immer wieder meinem Körper zu, löste im Körper gespeicherte Glaubenssätze, ließ Emotionen fließen und ich genoss vor allem ansonsten einfach nur das Leben. In der darauffolgenden Woche, schrieb ich 3 Kapitel in sechs Tagen – und das in Freude, in Leichtigkeit und einem total schönen Kreativfluss.

Übung „Flow (wieder)finden“

Setz dich bequem hin und spüre etwas mehr nach innen.
Lass dich in deinen Körper hineinsinken, als wenn deine Aufmerksamkeit mit dem Ausatmen jedes Mal ein Stückchen tiefer sinkt.
Erlaube dir etwas mehr anzukommen, in diesem Moment in deinem Körper.
Und dann spür mal hin…
Wenn Flow immer da ist… Wo spürst du ihn dann jetzt gerade?
Lass dich dort noch etwas mehr hineinsinken.
Spüre, wie sich das anfühlt, wenn du magst, genieße es ein wenig.
Und so in Kontakt mit dieser Empfindung:
Welcher Impuls steigt auf?
Wie wäre es, ihn jetzt umzusetzen?

Übung „Flow-Zeit“

Diese Übung ist ein Experiment für mehrere Tage (die Tage müssen nicht zwangsläufig aufeinander folgen).
Reserviere dir Flow Zeit – und wenn es eine Stunde am Tag ist – in der du wirklich hinspürst, was gerade dran ist, dich in den Fluss hineinsinken lässt und ihm folgst.
Den Impulsen folgen – Ruhephase
Wenn du einen Ruf in zufriedene Ruhe hörst – Folge ihm! Wenn da hingegen eher Antriebslosigkeit ist, fühle nach innen, spüre nach, was los ist und lass es fliessen.
Den Impulsen folgen – Aktivphase
Wenn du den Ruf zu sprudelnder, freudiger, aktiver Tätigkeit hörst – Folge ihm! Manchmal ist es der Abwasch, manchmal Kreatives, manchmal ein Gespräch. Wenn da hingegen eher Rastlosigkeit ist, halte inne, widerstehe dem Drang, etwas zu tun. Komme behutsam etwas mehr zur Ruhe, wende dich auch hier nach innen, spüre nach, was los ist und lass es fließen.

 

Ich wünsche dir ganz viel Freude und ein leichtes, verkörpertes Fließen in deinen nächsten Moment – ob er dich ins Tätigsein oder die Ruhe zieht –

Glücklich sein

6 Comments on “In den Flow finden – warum das keine gute Idee ist und wie wir das ändern”

  1. Liebe Nathalie,
    danke für diesen tollen Blog-Beitrag. Genau das waren auch meine Gedanken zum Flow. Ich genieße es, wenn ich im Flow bin, alles klappt, ich erlebe ein Hochgefühl. Aber dann folgt unweigerlich ein Tief, ich bin antriebslos und möchte manchmal alles hinwerfen. Aber mit deinem Artikel fühle ich mich bestätigt und bestärkt, dann wirklich nochmal genau hinzusehen, was los ist. Vielen Dank und liebe Grüße, Daniela

    1. Liebe Daniela,
      so schön, danke für deinen Kommentar! Das freut mich sehr, dass dich der Artikel bestärkt in deiner eigenen Erfahrung (wir dürfen unsere Erfahrungen ernst nehmen ja <3) und dass du dich auch ermutigt fühlst, genauer hinzusehen 🙂
      Herzensgrüße,
      Nathalie

  2. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie deine Mails bei mir immer voll ins Schwarze treffen…
    Sogar die Themen passen immer exakt in meine aktuelle Situation… 😁👌

    Danke dafür, Nathalie ♥️

    1. Lieber Ralf,
      das ist eine herrliche Rückmeldung 😀 Vielen Dank und super schön, wenn dich meine Mails genau dort erreichen, wo du bist.
      Von Herzen gern geschehen.
      Liebste Grüße,
      Nathalie

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